Maskerade by Tivadar Soros

Maskerade by Tivadar Soros

Autor:Tivadar Soros [Soros, Tivadar]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Boersen medien
veröffentlicht: 2015-05-25T16:00:00+00:00


Kapitel 17

Trügerische Morgenröte

Im August 1944 begannen die Dinge endlich die Gestalt anzunehmen, die ich so ungeduldig erwartet hatte. Die militärischen Rückschläge der Deutschen blieben nicht ohne Folgen für die Politik der Satellitenländer. Die Alliierten flogen höchst wirkungsvolle Bombenangriffe, die eine Reihe wichtiger Militärstützpunkte in Deutschland zerstörten, und drangen mit dem Einmarsch in Frankreich auf bisher vom Feind besetztes Territorium vor. Im Osten zwang der stetige Vormarsch der Sowjetunion Rumänien, über eine Feuerpause zu verhandeln.

Am 18. August nahm der rumänische König die Waffenstillstandsbedingungen an, die unter anderem die Abtretung der bisher rumänischen Gebiete Bessarabien und Bukowina an die Sowjets vorsahen. Rumänien erhielt dafür die bis dahin ungarische Provinz Transsilvanien (Siebenbürgen). Eine weitere Bedingung war, daß die rumänische Armee künftig Seite an Seite mit der russischen kämpfte. Die Maßgaben dieses Waffenstillstands bereiteten faktisch dem späteren russischen Neo-Kolonialismus in Osteuropa den Weg.

Diese Entwicklungen hatten weitreichende Folgen für die Stellung Ungarns auf nationaler und internationaler Ebene, und die Regierung mußte einige drastische Veränderungen vornehmen. Zunächst entließ Ministerpräsident Döme Sztójay Anfang August drei seiner Kabinettsmitglieder – Imrédy, Jaross und Kunder –, die noch nazistischer gesinnt waren als er selbst.

Am 18. August löste die Polizei gewaltsam eine Kundgebung zur Unterstützung des deutschen Nationalsozialismus auf. Die Deutschen taten ihr Bestes, das »weltgeschichtliche Rad des Fortschritts« zu hemmen, und zitierten Reichsverweser Horthy nach Deutschland.

Am 23. August traf Horthy mit dem nationalsozialistischen Außenminister Ribbentrop zusammen, der sich bereit erklärte, die Einmischung der Deutschen in die inneren Angelegenheiten Ungarns zu reduzieren. Gleichzeitig mußte Horthy jedoch die Erklärung abgeben, daß die ungarische Armee weiterhin an der Seite der Deutschen kämpfen werde. Ende August entfernte Horthy dann Sztójay aus dem Amt und ersetzte ihn durch General Géza Lakatos.

All diese Ereignisse machten auch dem politisch Unbedarftesten klar, daß in Ungarn wichtige Veränderungen in der Luft lagen. Im September wimmelte Budapest von den wildesten Geschichten – namentlich kursierte das Gerücht, daß Ungarn dabei sei, mit den Achsenmächten zu brechen. Wie es hieß, wurde diese sensationelle Neuigkeit vor allem von Admiral Horthys Frau und seinem Sohn ausgestreut – eine Annahme, die sich darauf stützte, daß Horthys Frau angeblich teilweise jüdisch war und ihr Sohn jüdische Freunde hatte. Einem anderen Gerücht zufolge war Horthy von Hitler nach Deutschland »eingeladen« worden, hatte die Einladung jedoch abgelehnt. In höchster Erregung lauschten wir den einzelnen Geschichten und warteten, unter vielen Diskussionen, darauf, daß wenigstens eine von ihnen sich wirklich bewahrheitete.

Das Schicksal der ungarischen Juden war freilich zum großen Teil schon besiegelt. Anders als die Juden Budapests waren die Juden aus der Provinz bereits deportiert worden, auch diejenigen, die in Vororten Budapests wie Újpest und Kispest lebten. Wenn die Dinge sich jetzt in eine günstigere Richtung entwickelten, hatten die in Budapest verbliebenen Juden – vielleicht 100000 oder 120000 – gute Aussichten, gerettet zu werden.

Während der Herbst im milden Glanz eines Altweibersommers ins Land zog, erschien die strahlende Sonne wie ein Sinnbild für die unzähligen Strahlen unserer Hoffnung. Die Menschen schöpften Zuversicht und lernten wieder zu lächeln. Nach und nach kehrte mein kleiner Provinz-Peloton nach Budapest zurück. Als erste war Jutka wieder da.



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